Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich ist ein rotes Tuch für Unternehmer. „Standortgefährdend! Wirtschaftsgefährdend! Jobgefährdend!“, schreien die Medien diese Forderung nieder – ganz im Sinne ihrer Eigentümer. Das Problem: Viele Menschen glauben diese Katastrophenmythen. Dabei brauchen sie nur an die letzte Arbeistzeitverkürzung Anfang der 1970er denken. Brach die Wirtschaft da zusammen? Offensichtlich nicht! Dennoch führt das zu Dialogen wie diesem …
„Vier-Tage-Woche! Wie soll das gehen?“, fragt mich ein Kollege entsetzt.
„Mit mehr Leuten! Die Einen suchen Arbeit und die Anderen mit Arbeit leiden unter Stress. Eine Win-Win-Situation.“, entgegne ich klar.
„Aber das können wir uns nie und nimmer leisten!“
„Die Fünf-Tage-Woche alias 40-Stundenwoche haben wir in den 70ern eingeführt. Seitdem stellen wir ein Zigfaches an Produkten her. Das geht sich aus!“
„Damals gab‘s auch keinen globalen Wettbewerb – nicht so wie heute. Wir müssen wettbewerbsfähig bleiben und eine Arbeitszeitreduzierung gefährdet das!“
„Blödsinn! Bei den Preisen kommt es auf die Lohnstückkosten an. Wenn jemand 50 € pro Stunde verdient und dabei 50 Stück produziert kostet es gleich viel wie bei jemanden der 100 € pro Stunde verdient und 100 Stück produziert. Österreichs Produktivität ist eine der höchsten der Welt und steigt seit Jahrzehnten, aber die Leute haben nichts davon.“
„Das ist der Preis des Wettbewerbs!“
„Das ist der Preis des Profits!“
„Hä?“
„Die Eigentümer haben in den letzten Jahrzehnten die kompletten Produktivitätsgewinne als Profit eingestrichen, während die Löhne stagnieren. Mit einer Arbeitszeitverkürzung bekommen die Menschen einen fairen Anteil an den Produktivitätsgewinnen, die sie selbst erwirtschaftet haben.“
„Produktivitätsgewinne, die SIE selbst erwirtschaftet haben?“
„Wer entwickelt, baut und hantiert mit neuen Maschinen in der Werkshalle? Wer programmiert und bedient neue, schnellere und umfangreichere Software in Büros und Geschäften? Die arbeitenden Menschen!“
„Na gut, stimmt schon, aber was würden sich mit weniger Arbeitszeit ändern? Die Preise steigen!“
„Nein, die Profite sinken! Wenn man die Arbeitszeit von 40 auf 32 Stunden kürzt, dann steigt der Stundensatz um 25%. Machen die Arbeitskosten 10% vom Preis aus, dann steigt der auf 12,5% wenn sonst alles gleich bleibt.“
„Ok, das ist nicht viel. Das gilt vielleicht für Industrie und Handel, aber nicht für das Handwerk! Die müssen die Preise erhöhen.“
„Das stimmt! Und deswegen führt man eine Arbeitszeitverkürzung schrittweise ein. Beim letzten Mal verkürzte Kreisky zwischen 1970 und 1975 die Wochenarbeitszeit um 5 Stunden. Die Firmen können sich da locker darauf einstellen.“
„Pro Jahr verkürzten sie die Arbeitswoche um eine Stunde?“
„Im Schnitt Ja.“
„Das klingt nicht so wild, das würde ganze 8 Jahre dauern.“
„Und damals hatten die Unternehmer ihre Produktivitätsgewinne mit den Arbeitenden teilen müssen.“
„Soll das heißen: Heute verkraften sie das leichter als damals?“
„Genau! Und die damalige Arbeitszeitverkürzung raffte die Unternehmen auch nicht dahin.“
„Offensichtlich nicht … spricht doch weniger dagegen ...“
„Und viel dafür!“
„Eh! … Drei Tage Wochenende – das wäre schon was! Mehr Zeit für die Familie und Freunde. Und das mit der Feuerwehr ginge auch leichter … Passt, bin dabei!“
Ich ziehe die Augenbraue hoch.
„Jaja“, entgegnet er flapsig meinen skeptischen Blick, „Wenn man die Meinung nicht ändert, dann geht nie was weiter!“
"Amen."
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